Skip to main content

Grohgasse 10, 1050 Wien

Kurz nachdem ich mit meiner Frau in die Schönbrunner Straße gezogen war, kamen meine Mutter und mein Stiefvater aus Salzburg zu Besuch. Ich holte sie mit dem Auto von der Park-&-Ride-Garage in Hütteldorf ab und bog nahe unserer Wohnung in die Grohgasse ab, die sich hinsichtlich der Suche nach einem Parkplatz als verlässlich erwiesen hatte. Auch damals wurde ich fündig und parkte das Auto – nichts ahnend – vor dem Haus Nummer 10.
Meine Mutter stieg aus, erblickte das Hausnummernschild und sagte plötzlich: „Schau an, dort oben in einer der Dachwohnungen bin ich geboren worden“.

Wie ich heute weiß, lebten meine Großeltern bereits vor dem 2. Weltkrieg in der Grohgasse 10. In den Jahren, nachdem mein Großvater zum Wehrdienst eingezogen worden war und in russische Kriegsgefangenschaft geriet, wohnte meine Großmutter allein dort. Sie erblindete in dieser Zeit und überlebte mit familiärer Unterstützung zurückgezogen die Kriegsjahre in Angst und Hoffnung.

1947 kehrte mein Großvater nach vier Jahren tatsächlich aus Sibirien zurück und stieg von Unterernährung zitternd die Treppe zur gemeinsamen Wohnung hinauf und klopfte. Unsicher öffnete meine Großmutter die Türe und hörte ihren Namen. „Du bist also wirklich wieder da“.
1950 erblickte dort meine Mutter das Licht der Welt.

Das Haus Grohgasse Nummer 10 wird seit einiger Zeit renoviert. Es ist seither eingerüstet und wurde – wie man im Fachjargon sagt – „entkernt“. Auch das Dach und die Dachwohnungen wurden abgetragen und durch einen luxuriösen Dachaufbau ersetzt.

Viel übrig geblieben ist nicht. Und das Haus Grohgasse Nummer 10 wird sich wohl bald in neuem Kleid präsentieren. Nur gut, dass die (persönliche) Geschichte eines Ortes nicht auch von Baumaschinen abgetragen werden kann.

Denn auch wenn äußerlich nichts mehr daran erinnert: Ich werde mich erinnern, wann immer ich daran vorbeigehe oder das Auto davor parke.

Die Schichtung als schöpferisches Prinzip im Werk von Ingrid Tragler

Eine abstrakte helle Form, die an eine noch unentdeckte Fischart der Tiefsee erinnern könnte und sich mittels weißer Adern selbst zu verbinden scheint, legt sich über Schichten, Farbflächen und teilweise wie Schatten anmutende Strukturen im Hintergrund, die sie dennoch nicht gänzlich abdeckt, sondern geheimnisvoll durchschimmern und erahnen lässt. Sie selbst wiederum wird dabei von einer roten, sich teilweise verästelnden Linie ähnlich einem einfachen Blutkreislauf durchzogen, der sie zwar ihrerseits überlagert, zugleich aber vermag, den Hintergrund in den Vordergrund zu rücken und einen neuen, in die Tiefe weisenden Fokus zu setzen.

Es ist ein Wechselspiel von Leere und Fülle abstrakter aber dennoch reich assoziativer Formen und Flächen und von zugleich dynamischen wie erstarrten Gesten, die Ingrid Tragler zu höchst eigenständigen und – in der ursprünglichsten Bedeutung des Adjektivs – kunst-vollen Kompositionen schichtet und mit den frei experimentellen Mitteln des Siebdrucks zu ausdrucksvollen Werkblöcken formt.

Technik als Mittel zum Selbstzweck

Bekannterweise ist der Siebdruck ursprünglich ein Schablonen-Druckverfahren und als solches per se ein rein technischer Produktionsvorgang. 

Betrachtet man jedoch die Arbeiten von Ingrid Tragler, wird offensichtlich, dass es sich hier vielmehr um einen originär künstlerischen Ausdruck handelt, der sich des Siebdrucks bedient, um diesen hinsichtlich seines gesamten gestalterischen Potenzials auszuschöpfen. Und um Bildwerke zu schaffen, die sich aus einer erweiterten und insbesondere künstlerisch kompositorischen Sicht als seismografische Bildproduktionen erweisen, die deutlich vielschichtiger sind.

Vielschichtigkeit als mediale Transformation

Für ihre neuesten Werkblöcke verwendet Tragler digitale Grafikprogramme als Medium der ästhetischen Transformation.

Nicht analoge Zeichnungen, sondern im Computer generierte Vorlagen dienen der späteren Gestaltung und Übertragung in den Siebdruck. Präziser formuliert handelt es sich dabei um Digitalisierungen analoger, gestisch-rudimentärer wie dynamisch-expressiver Zeichenvorgänge, die sie mit der Computermaus ausführt, um eine bewusst unperfekte, kantig-gepixelte digitale Optik und Ästhetik zu erzielen.

Es findet also eine vielschichtige Transformation und Verstärkung vom Analogen ins Digitale und zurück in die technische Analogie des Druckverfahrens statt.

Vielschichtigkeit als technisch-kompositorische Methode

Die Grundstrukturen ihrer aktuellen Arbeiten bestehen aus in digitale Raster umgewandelten Detailansichten von rostigem Metall oder Ähnlichem, die sie als Fläche auf Baumwollleinen gedruckt in den Hintergrund legt und die dabei trotz ihrer digitalen Optik organische Strukturen hervorrufen.

Anschließend folgt sie weiter der Methode der Vielschichtigkeit, indem sie jedem der genannten Zeichenvorgänge eine bestimmte Farbe zuteilt und im Anschluss als separate Folie auf einzelne Siebe belichtet. Das heißt beispielsweise: Acht Farben – acht Siebe – acht Druckvorgänge – acht Schichten.

Der Akt der künstlerischen Komposition selbst erweist sich schließlich trotz der im Vorfeld genauen Planung als ein schöpferisch-experimentelles Handeln und als Schaffensprozess, bei dem die Vorlagen schichtweise übereinander gedruckt werden.

Dabei legen sie sich nicht nur über den Hintergrund, sondern überlagern sich auch untereinander. Durch diese Schichtung, die Verdoppelung, den Austausch oder auch Weglassung entstehen gleichsam Interferenzvorgänge, wie man sie aus der Physik kennt, wo die Überlagerung von Schwingungen zu Phänomenen der Phasenverstärkungen oder Phasenauslöschung führt. 

Bildelemente werden verstärkt und verdichtet, andere wieder beinahe zum Verschwinden gebracht. Die Werke wachsen, bauen Spannung und Entspannung auf. Ihre Elemente strukturieren und dekonstruieren sich, generieren ästhetische wie inhaltliche Ebenen und verknüpfen sich zu vielschichtig bildimmanenten Bedeutungszusammenhängen.

Vielschichtigkeit als assoziative Dynamik

In Traglers neuen Werkblöcken lässt sich das Serielle ihrer Arbeitsweise anhand der sich wiederholenden Elemente leicht erkennen und dennoch angesichts der improvisatorischen, gleichsam nicht endenden wollenden Vielfalt kaum fassen. Zu sehr oszillieren ihre komplexen Bild-Systeme zwischen Wiedererkennung und Eigenständigkeit, changieren zwischen technischer und organischer Anmutung, zwischen Offenheit und Geschlossenheit und schwingen eindrucksvoll und bedeutsam zwischen abstrakten Ordnungsgefügen und vermeintlich gefügigen Ordnungen.

Ein exemplarisches Beispiel – das auch für jedes andere Kompositionselement gelten könnte, – ist ein gestisches Liniengebilde in Traglers Werkserie „Vibrations“, das ihre kompositorische Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit eindrücklich illustriert.

Es handelt sich dabei um eine dynamisch-expressive Linienverdichtung, die – digitalisiert und dennoch so haptisch-sinnlich als wäre sie mit Ölkreide oder Vergleichbarem ins Bild gesetzt – mit einer einzigen Ausnahme in allen acht Arbeiten der Serie wiederkehrt. Allerdings in immer neuen Variationen, Ausrichtungen, Verdoppelungen, verschiedenfarbigen Überlagerungen und Konstellationen zu anderen Gestaltungselementen.

Auf raffinierte Weise suggeriert diese Wiedererkennung dabei dem/der Betrachter:in eine Art trügerischen Verstehens. Ein „Aha-Erlebnis“, das sich dennoch und unmittelbar wieder verliert inmitten der permanent ästhetischen wie semantischen Wandlungen und Ver-Schichtungen, in denen sich das Liniengebilde wiederfindet oder von ihm evoziert wird.

GIMME SHELTER

Gimme Shelter. Gib mir Schutz. Gib mir einen Unterschlupf.
In dem für den Ausstellungstitel entlehnten Song der Rolling Stones heißt es unter anderem „war is just a shot away“ — Krieg ist nur ein Schuss entfernt — oder „a storm is threatening my very life today“ — ein Sturm bedroht heute unmittelbar mein Leben.

Textzeilen aus dem Jahr 1969, die traurigerweise aktueller kaum sein könnten in einer Zeit, in der stabil geglaubte, grundlegend liberale Werte und Sicherheiten unaufhaltsam — und in einem geradezu betäubenden Tempo — zu erodieren scheinen oder vorsätzlich zum Einsturz gebracht werden.

Nichtsdestotrotz gibt es nach wie vor Stimmen, die zu beschwichtigen versuchen. 
+ Immerhin wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
+ Außerdem dürfe man die Resilienz der Menschen und liberalen Gesellschaften nicht unterschätzen.

Ich persönlich bin da – wie viele andere – offen gesagt pessimistischer, insofern die gegenwärtige Entwicklung in Kombination mit der geradezu imperialen Einflussmacht der neuen Technologien, eine ganz neue Dimension zu entfalten vermag.

Vor allem ideologisch im Dienste der sogenannten „neoreaktionären Bewegungen“ und deren programmatisch archaischen, antiaufklärerischen, antidemokratischen, antiegalitären, antiliberalen, wissenschafts-, kultur- und kunstfeindlichen sowie neofeudalen Agenda. Eine Agenda, die sie auch in die Tat umsetzen. Und das völlig ungeniert und geradezu lehrplanmäßig. Dazu genügt aktuell ein Blick auf die USA.

Die Hoffnung, dass wir gerade inmitten dieser Gemengelage heute angstloser oder wehrhafter als in früheren Zeiten sein sollten, drängt sich dabei — euphemistisch formuliert —nur zaghaft auf.

Gimme Shelter. Gib mir Schutz. Gib mir einen Unterschlupf.
Nicht weniger aktuell ist zwangsläufig auch der Ruf, der Wunsch, das Bedürfnis nach einem Rückzugsort, nach Sicherheit, nach Abgrenzung, nach Gegenwehr.

Und kaum etwas bietet seit jeher einen vergleichbaren Shelter des Rückzugs, der Widerstandsfähigkeit und gleichzeitig des Widerstands als die Resilienz künstlerischer Praxis und künstlerischen Ausdrucks.

Das trifft im Prinzip auf jede ernsthafte künstlerische Position zu, die nicht bloß oberflächlich die Zeichen des Künstlerischen imitiert und Themen versinnbildlicht.

Was die ausgestellten Künstlerinnen und Künstler dabei im Besonderen auszeichnet, ist, dass in ihren Arbeiten zweierlei, für uns relevante Aspekte in Hinblick auf das Thema  — und der Möglichkeit  — eines Shelters vereinen:

1. Zum einen selbstverständlich, indem sie sich formal mit den Chiffren der Behausung und dem Raum auseinandersetzen, mit ihnen spielen, sie reduzieren oder weiterentwickeln.

2. Zum andern  — und gemäß des sehsaal-Jahresthemas „Wiederholung“ — indem sie sich repetitiver, künstlerischer Schaffensprozesse bedienen und damit intime Strukturen schaffen, mit denen sie sich und uns, sichere und geborgene Räume erzeugen und den sehsaal selbst in einen temporären Shelter verwandeln.
Und das mit ganz unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen, Medien und Bedeutungsebenen.

Insofern möchten wir die einzelnen Positionen aus unserer kuratorischen Sicht noch ganz kurz beleuchten.

———————-

Jürgen Bauer beschäftigt sich bereits seit Jahren mit der Geometrie des Urbanen und der Architektur, wobei sein Schwerpunkt auf der einfachen Form eines Hauses mit Satteldach liegt. Zusammengesetzt ist es jeweils aus vier ganzen und zwei halben Quadraten, die er in scheinbar unendlichen Varianten und Wiederholungen zusammen und zueinander setzt — malerisch, zeichnerisch, druckgrafisch oder eben bildhauerisch.
Dabei wird das Haus als repetitiver Umriss nicht zuletzt zum Symbol für den Ursprung eines Rückzugsort, der dennoch durchgängig bleibt und wie hier, mittels einer Leiter gleichsam einen Spähposten zur Außenwelt bietet.

Für Katharina Fink zählt der Versuch, einer ständigen Reizüberflutung mit Einfachheit und der konzentrierten Wiederholung zu begegnen und sich auf diese Weise einen Rückzugsort aus Reduziertheit und maximaler Entschleunigung zu schaffen.
In ihrem formalen Weg der Entgrenzung der Zeichnung in den Raum, erzeugt sie durch die schiere Masse — ihr work -in progress-Werk hält derzeit bei 6000 schwarz gestrichenen Holzstäben — einen Nimbus der Möglichkeit eines Unterschlupfs und eines Szenarios, vorbereitet zu sein.

Das künstlerische Oeuvre von Thomas Laubenberger-Pletzer umfasst die Zeichnung in ihrer Vielfältigkeit der Einschränkung. Er verwendet ausschließlich Papier im Format A4, schwarzen Fineliner und die Linie als ursprüngliches, minimales und unmittelbares künstlerisches Ausdruckmittel, das auf dem weißen Hintergrund Räume schafft, sowie gleichermaßen umgekehrt dem Weiß des Zeichengrunds selbst einen Raum gibt. 
Durch die Konsequenz seines Arbeitens im Ausloten geometrischer Möglichkeiten, Strukturen und der sich logisch daraus ergebenden Variationen, erzeugt er Raster, Buchstaben und enigmatische Planzeichnungen, die das Formale und den Arbeitsprozess gleichsam zu Räumen und Rückzugsorten verschmelzen lassen.

Lisa Reiter versteht in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung Räume als etwas, die durch menschliche Interaktion geformt werden, während diese ihrerseits Interaktionen beeinflussen.
Im konkreten Fall hier, greifen ihre Arbeiten Form, Funktion und Rhythmus von Fenstervergitterungen, Zäunen oder Zauntoren auf und thematisieren diese als scheinbar durchlässige Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum.
Dabei betrachtet sie das Gitter freilich nicht nur als geometrische Anordnungen, die sich in ihrer formalen Grundstruktur wiederholen, sondern insbesondere auch in ihrer psychologisch motivischen und folglich künstlerisch-handwerklichen Wiederholung als Symbol von Besitz, Kontrolle und dem Wunsch, etwas — oder eben sich selbst — zu beschützen.

Die wechselseitige Interaktion steht auch im Zentrum des Arbeitens von Käthe Hager von Strobele — hier allerdings zwischen Natur und Architektur.
Beide begreift sie als Strukturen „normierter Unterschiedlichkeit“ oder auch „normierter Individualität“.
Während Pflanzen zwar einem biologischen Programm unterworfen sind, aber dennoch jeweils einzigartig Individuen hervorbringen, folgen Behausungen bestimmten grundlegenden konstruktiven Prinzipien, sind jedoch auch Ausdruck individueller Lebensweisen und Prägungen. In ihren Arbeiten kreuzt sie die beiden Bereiche, die auch sonst im Widerstreit von Natur und Kultur stehen.
Immer wieder aufs Neue versieht sie Pflanzenblätter durch Ritzung oder Faltung mit einer Hausform und fotografiert sie vor schwarzem Hintergrund im Stil botanischer Nachschlagewerke. Umgekehrt evoziert deren fortlaufende Inszenierung wiederum die Assoziationen eines Hauses und wirft die Frage auf, wieviel architektonische Rückzugsräume nötig sind oder sein dürfen, um unsere individuelle Natürlichkeit zu entfalten.

Entspannen und Tee trinken

Die heute sprichwörtlich genutzte Redewendung „Abwarten und Tee trinken“, empfahl man ursprünglich im Falle einer Erkältung. Gemeint war damit die Einnahme von heilenden Kräutertees in Verbindung von Geduld und Ruhe.
Nun ist der sogenannte „Kräutertee“ strenggenommen ein Kräuter- oder Wurzelaufguss, um ätherische Öle und andere Inhaltsstoffe in heißem Wasser zu lösen – mit dem „echten“ Tee im botanischen Sinne hat dieser allerdings nichts gemein. Mit Geduld und Ruhe jedoch sehr wohl.

Botanisch betrachtet handelt es sich bei Tee ausschließlich um die Gattung „Camellia sinensis“. Eine Pflanzenart, die – wie die lateinische Bezeichnung schon andeutet – zunächst nur in China bekannt war.

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts endeckten Forscher im Zuge der britischen Kolonialherrschaft auch im indischen Bundesstaat Assam eine wildwachsende Pflanze, die in Folge mittels Kreuzung mit der chinesischen Urform kultiviert wurde. Bis dahin trank man in Indien erstaunlicherweise keinen Tee (!), was mit Blick auf den heute immerhin zweitgrößten Teeproduzenten der Welt fast unglaublich scheint. 
In China gab es hingegen bereits 221 vor Christus eine von der damals herrschenden Qin-Dynastie erlassene und historisch belegte Teesteuer, weshalb man davon ausgehen kann, dass dort bereits über gut 2000 Jahre zuvor Tee kultiviert, getrunken und gehandelt wurde.

Über den Ursprung des Tees gibt es viele, teils schaurige Erzählungen wie beispielsweise die sogenannte „Bodidharma-Legende“, wonach diesem – während er jahrelang in einer Höhle meditierte – die Augen schwer vor Müdigkeit wurden; wen sollte das wundern. Voller Zorn darüber, nicht wachbleiben zu können, riss er sich die Augenlider aus und warf sie zu Boden. An der Stelle, wo diese landeten, wuchs der erste Teestrauch, dessen Blätter ihm hinfort halfen, wach zu bleiben.

Womit wir bei einem weiteren Aspekt des Tees sind; seinem Koffeingehalt.
Je nach Sorte und Zubereitungsart enthält Tee ebenso wie Kaffeebohnen Koffein. Allerdings ist dieser, folgerichtig „Teein“ genannte aufputschende Wirkstoff an bestimmte Gerbstoffe gebunden, was bedeutet, dass die wachmachende Wirkung bei Tee später einsetzt, allerdings länger anhält. Außerdem ist die für einen Aufguss nötige Menge an Teeblättern viel geringer als der gemahlenen Kaffees. Der Koffeingehalt von Tee ist also geringer und schonender als der von Kaffee.

Für die „Tee-Kultur“ noch bedeutsamer ist aber eine andere Tatsache, die uns noch einmal zum genannten Bodhidharma zurückführt. Denn dieser ließ sich etwa 500 nach Christus im ersten – und bis heute existierenden! – Shaolin Kloster im chinesischen Henan nieder, in dem eine damals neue, daoistisch geprägte Variante des Buddhismus gepflegt und entwickelt wurde, welche die meditative Selbstbetrachtung lehrte und als Chan-Buddhismus die Keimzelle des heute besser als Zen-Buddhismus bekannten Philosophie und Lebensart begründete.

„Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen (chinesische Weisheiten)
Mit anderen Worten: Tee, Teezubereitung, Teetrinken und Meditation waren von Anfang an unlösbar miteinander verbunden.
Und es ist diese Verbundenheit, die die Zubereitung und das Teetrinken zu einem besonderen Ritual macht, das für einen Augenblick der Entspannung den Alltagsstress vergessen macht und uns neue Kraft schenkt.

Warum also noch abwarten? Nehmen auch Sie sich einen Augenblick Zeit, verweilen Sie in diesem Augenblick und trinken Sie eine Tasse Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen und gelassen zu werden.
Denn: „Das Wesen des Tees ist Harmonie, Klarheit und Wahrheit.“ (Shui Xiang Shang Ti)

Auf Spurensuche nach dem Weihnachtsstollen

Es ist eine schöne Kindheitserinnerung vieler, die heimlich mit den Fingern vom süßen Teig genascht, kleine Sterne und Bäume aus dem ausgerollten Teig ausgestochen und sie nach dem Backen mit Glasuren und Streusel verziert haben, während der verführerische Duft von Butter, Nüssen und Vanillezucker sich in der gesamten Wohnung oder dem Haus verbreitete. 

Weihnachtszeit ist Kekszeit, aber eben nicht nur.

Auch der Weihnachtsstollen ist seit sehr langer Zeit fester Bestandteil der kulinarischen Weihnachtstradition Österreichs. Und das, obwohl er – im Gegensatz zu all den vielen Feingebäck-Spezialitäten, die die Welt als „Viennoiserie“ eroberten und uns als „Backgroßmacht“ berühmt gemacht haben -, gar nicht aus Österreich stammt.

Historisch betrachtet, stammt der Stollen aus Deutschland; genauer gesagt aus dem ostdeutschen Sachsen. Dort wird er bereits im Jahre 1330 im Zusammenhang eines „bischöflichen Privilegs für die Bäckerzunft in Naumburg an der Saale“ erstmals urkundlich erwähnt. Das Wort „Stollen“ kommt übrigens vom altdeutschen „stollo“, was soviel wie Pfosten oder Stütze bedeutet und wohl auf die Form des Gebäcks anspielt.

Nichtsdestotrotz gilt Dresden als die Hauptstadt des Weihnachtsstollens, wo er als „Dresdner Stollen“ nachweislich seit dem Jahr 1400 gebacken wird. 

Aus der Sicht historischer Epochen könnte man den Stollen also als süßen Lichtstrahl inmitten des „finsteren (Spät-)Mittelalters“ betrachten, wenn er zu dieser Zeit nicht ein eher farblos-schlichtes und fade schmeckendes Fastengebäck gewesen wäre, das nur aus Mehl, Hefe, etwas Öl und Wasser gebacken werden durfte.

Dass der Stollen schließlich doch noch zu einem süßen Weihnachtsgebäck aus Eiern, Butter und so exklusiven Zutaten wie Rosinen, kandierten Südfrüchten, Mandeln und Gewürzen geworden ist, haben wir den sächsischen Kurfürsten Ernst und Albrecht III persönlich zu verdanken, die 1450 den Papst um eine Lockerung der strikten Fastenbackvorschrift baten. Was ihnen letztlich auch gewährt wurde. Allerdings erst 41 Jahre und fünf Pontifikate später im Jahre 1491. Was soll man sagen: Wenn es ums Fasten geht, mahlen die klerikalen Mühlen langsam.

Von da an aber durfte weihnachtlich genascht werden. Der Stollen wurde auch nicht mehr ausschließlich religiös gedeutet, sollte das gerollte Backwerk doch ursprünglich an das in Windeln gewickelte und in der Krippe liegende Jesuskind erinnern.

Ganz im Gegenteil entwickelte sich der Stollen angesichts seiner wertvollen Zutaten und damals noch enorm teuren Gewürzen wie Nelken, Pfeffer, Zimt und Vanille aus den weit entfernten Kolonieländern, zu einem zunehmend weltlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Statussymbol, das sich eben nicht jeder leisten konnte.

Wie der Stollen schließlich seinen Weg nach Österreich gefunden hat, erklären am ehesten die politisch-verwandtschaftlichen Beziehungen, die seit spätestens 1697 Österreich und Sachsen verbanden. Besonders hervorzuheben ist diesbezüglich die 1766 geschlossene Ehe zwischen dem sächsischen Prinzen Albert und der Erzherzogin Marie-Christine, dem fünften Kind von Maria-Theresia.

Und ja: Vielleicht verdankt Wien dem kunstsinnigen Albert nicht nur die einmalige Kunstsammlung „Albertina“, sondern auch den Weihnachtsstollen, auf den er nicht verzichten wollte. Wer weiß?

Von Kletzen und Hutzeln

Die Kulturtechnik, Lebensmittel an der Luft oder in eigenen „Darrhütten“ zu trocknen, gilt als eine der älteste Konservierungsarten in der Menschheitsgeschichte.

Die Methode beruht dabei auf der Dehydration. Kurzum, dem Entzug von Wasser, um auf diesem Wege jenen Mikroorganismen die Lebensgrundlage zu entziehen, die andernfalls für den Verderb verantwortlich wären. Bei weniger als 35% Wassergehalt vermögen sich die meisten Bakterien und bei weniger als 15% auch die meisten Pilze nicht mehr zu vermehren.
Auf diese Weise lässt sich Fleisch und Fisch ebenso wie Obst über lange Zeiträume haltbar machen, ohne auf sie als Nahrungsquelle verzichten zu müssen.

In unseren Breiten kennt man insbeondere getrocknete Birnen vor allem im Zusammenhang mit dem weihnachtlichen „Kletzenbrot“, für das eben Kletzen – mancherorts auch Hutzeln genannt – traditionell mit Nüssen und Brotteig in ein köstliches wie gehaltvolles Backwerk verwandelt werden.

Historisch belegt ist, dass die bäuerliche Tradition des „Piratura“, wie es damals genannt wurde, bis in vorchristliche Zeit zurückreicht und seither aufgrund seines hohen Fruchtzuckergehalts als wertvolle Energiequelle in der kalten und kargen Jahreszeit geschätzt wurde.

Zum anderen galt das Kletzenbrot oder Birnbrot, Birnweggen, Hutzenbrot, Hutzelbrot  – noch bevor es zur christlich-weihnachtliche Bäckerei wurde – als Fruchtbarkeitssymbol, das mit vielen, regional unterschiedlichen „heidnischen“ Bräuchen verbunden war.
So gingen beispielsweise die Bäuerinnen nach dem Kneten des Teiges hinaus, um mit ihren „teigigen“ Händen die Obstbäume zu umarmen, um auf diese Weise eine reiche Obsternte im nächsten Jahr zu erwirken.
Beim gemeinsamen „Kletzenbrotanschneiden“ wiederum kam ihm die Funktion eines Orakels zu. Eine glatte Schnittfläche versprach den Fortbestand der Beziehung, während eine raue Schnittfläche Übles vermuten ließ und weiterer Rituale bedurfte.

Auch dem Verschenken eines Kletzenbrotes kam eine besondere Bedeutung zu und galt als Verlobungsbrauch, als Akt der Versöhnung oder als wertschätzende Abschiedsgabe für die bäuerlichen Dienstboten, die zu „Maria Lichtmess“ am 2. Februar freigestellt wurden und sich auf die Suche nach neuen Dienstgebern begeben mussten.

Das Kletzenbrot sollte kräftig und stark machen, als kultischer Segen die Gesundheit erhalten, Glück und Erfolg bescheren und auf diese Weise über das leibliche Wohl hinaus satt machen.

Vom Waldroggen zum Waldroggenbrot

Es ist Ende Juli. Und anstatt von Verkehrslärm ist die Luft vom Summen der Insekten und dem Zwitschern verspielter Schwalben erfüllt. Verletzlich schöner Klatschmohn säumt den schmalen Weg zwischen den Feldern, auf denen das weiche Sonnenlicht die Ähren zum Leuchten bringt, während ein verhaltener Windhauch gemächliche Wogen in die Halme malt und sie zu einem sanften Rauschen inspiriert.

Wir sind in Oberösterreich bei Familie Greilinger zu Besuch und blicken auf die Felder, auf denen „unser“ Bio-Waldstauderoggen wächst und noch ein wenig Zeit bekommen hat, in der Sonne zu reifen. Max und Marlies – Bio-Landwirte aus Überzeugung – erwarten uns bereits, um uns alles über dieses selten gewordene Getreide zu erzählen, das sie exklusiv für unsere Bäckerei anbauen.

Die Ur-Form des heutigen Roggens wächst hier besonders gut und aufgrund der ursprünglich erhaltenen Bodenbeschaffenheit und Lage in besonders hoher Qualität.

Seinen Namen hat der Waldstauderoggen, oder auch Waldstaudekorn, übrigens, weil er früher auf Waldlichtungen angebaut wurde, um die Flächen von Sträuchern und Bäumen freizuhalten, ohne sie mechanisch roden zu müssen.

Der Waldstauderoggen ist also ein robustes Getreide. Im Vergleich zum heutigen Roggen, der aus ihm gezüchtet wurde, ist er allerdings weniger ertragreich; seine Körner messen nur die Hälfte bis zwei Drittel der Größe des „Kultur-Roggens“. Dafür aber enthält jedes einzelne Korn umso mehr Nährstoffe, Vitamin B, Mineralstoffe, wertvolle pflanzliche Fette und Ballaststoffe.

Und das wiederum macht das Waldstaudekorn – und später unser Brot – auch geschmacklich intensiver und würziger und verleiht ihm eine deutlich dunklere Farbe.

Marlies rupft einige Körner von einer Ähre und lässt sie uns verkosten. Sie schmecken grün, nussig, süß und würzig-aromatisch. Fachmännisch begutachtet Max einige Körner mit seinen Händen, zerkaut seinerseits eines prüfend und blickt in den Himmel. „Zwei bis drei Wochen braucht es noch, wenn das Wetter so bleibt“.

Danach wird es geerntet und in der Tenne gedroschen, um die Spreu von Waldroggen zu trennen. Anschließen wird es sorgsam mit Heißluft getrocknet. Ein besonders wichtiger Vorgang, da zu feuchtes Getreide zur Gärung und den Befall durch schädliche Mikroorganismen neigt. Maximal 14% Feuchtigkeit darf im Inneren der Körner zurückbleiben, um eine sichere Lagerung sicherzustellen und gleichzeitig die wertvollen Inhaltsstoffe wie Aromen zu erhalten.

Apropos wertvolle Inhaltsstoffe und Aromen: Damit auch wirklich nichts von beiden verloren geht, beziehen wir unseren Waldroggen von Max und Marlies nicht in Form von Mehl, sondern von ganzen Körnern, die wir unter idealen Bedingungen in unserem Bäckerbetrieb lagern.

Erst wenn es ans Backen geht, vermahlen wir die Körner in unserer hauseigenen Steinmühle zu Mehl, um es umgehend weiterzuverarbeiten.

In einem ersten Schritt setzen wir dazu einen sogenannten mehrstufigen Natursauerteig an, der im Anschluss zu einem Brotteig verarbeitet wird, der seinerseits mindestens 24 Stunden lang reifen darf. Auf diese Weise können wir sämtlich auf Konservierungsmittel, Zusatzstoffe und Backhefe verzichten.

Einzig ein wenig Brotklee, Kümmel, Fenchel und Koriander geben wir zur geschmacklichen Vollendung unseres Ur-Brotes hinzu, bevor es von Hand zu Laiben geformt und im Steinofen gebacken wird.

Das Ergebnis ist ein ursprüngliches Brot, das durch seine unvergleichliche Würzigkeit und seine Aromen-Vielfalt besticht, … die es nicht zuletzt auch jenen Sommertagen Ende Juli verdankt, als das weiche Sonnenlicht die Ähren zum Leuchten brachte, während ein verhaltener Windhauch gemächliche Wogen in die Halme malte und sie zu einem sanften Rauschen inspirierte.