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Vom Waldroggen zum Waldroggenbrot

Daniel Zaman

Es ist Ende Juli. Und anstatt von Verkehrslärm ist die Luft vom Summen der Insekten und dem Zwitschern verspielter Schwalben erfüllt. Verletzlich schöner Klatschmohn säumt den schmalen Weg zwischen den Feldern, auf denen das weiche Sonnenlicht die Ähren zum Leuchten bringt, während ein verhaltener Windhauch gemächliche Wogen in die Halme malt und sie zu einem sanften Rauschen inspiriert.

Wir sind in Oberösterreich bei Familie Greilinger zu Besuch und blicken auf die Felder, auf denen „unser“ Bio-Waldstauderoggen wächst und noch ein wenig Zeit bekommen hat, in der Sonne zu reifen. Max und Marlies – Bio-Landwirte aus Überzeugung – erwarten uns bereits, um uns alles über dieses selten gewordene Getreide zu erzählen, das sie exklusiv für unsere Bäckerei anbauen.

Die Ur-Form des heutigen Roggens wächst hier besonders gut und aufgrund der ursprünglich erhaltenen Bodenbeschaffenheit und Lage in besonders hoher Qualität.

Seinen Namen hat der Waldstauderoggen, oder auch Waldstaudekorn, übrigens, weil er früher auf Waldlichtungen angebaut wurde, um die Flächen von Sträuchern und Bäumen freizuhalten, ohne sie mechanisch roden zu müssen.

Der Waldstauderoggen ist also ein robustes Getreide. Im Vergleich zum heutigen Roggen, der aus ihm gezüchtet wurde, ist er allerdings weniger ertragreich; seine Körner messen nur die Hälfte bis zwei Drittel der Größe des „Kultur-Roggens“. Dafür aber enthält jedes einzelne Korn umso mehr Nährstoffe, Vitamin B, Mineralstoffe, wertvolle pflanzliche Fette und Ballaststoffe.

Und das wiederum macht das Waldstaudekorn – und später unser Brot – auch geschmacklich intensiver und würziger und verleiht ihm eine deutlich dunklere Farbe.

Marlies rupft einige Körner von einer Ähre und lässt sie uns verkosten. Sie schmecken grün, nussig, süß und würzig-aromatisch. Fachmännisch begutachtet Max einige Körner mit seinen Händen, zerkaut seinerseits eines prüfend und blickt in den Himmel. „Zwei bis drei Wochen braucht es noch, wenn das Wetter so bleibt“.

Danach wird es geerntet und in der Tenne gedroschen, um die Spreu von Waldroggen zu trennen. Anschließen wird es sorgsam mit Heißluft getrocknet. Ein besonders wichtiger Vorgang, da zu feuchtes Getreide zur Gärung und den Befall durch schädliche Mikroorganismen neigt. Maximal 14% Feuchtigkeit darf im Inneren der Körner zurückbleiben, um eine sichere Lagerung sicherzustellen und gleichzeitig die wertvollen Inhaltsstoffe wie Aromen zu erhalten.

Apropos wertvolle Inhaltsstoffe und Aromen: Damit auch wirklich nichts von beiden verloren geht, beziehen wir unseren Waldroggen von Max und Marlies nicht in Form von Mehl, sondern von ganzen Körnern, die wir unter idealen Bedingungen in unserem Bäckerbetrieb lagern.

Erst wenn es ans Backen geht, vermahlen wir die Körner in unserer hauseigenen Steinmühle zu Mehl, um es umgehend weiterzuverarbeiten.

In einem ersten Schritt setzen wir dazu einen sogenannten mehrstufigen Natursauerteig an, der im Anschlussl zu einem Brotteig verarbeitet wird, der seinerseits mindestens 24 Stunden lang reifen darf. Auf diese Weise können wir sämtlich auf Konservierungsmittel, Zusatzstoffe und Backhefe verzichten.

Einzig ein wenig Brotklee, Kümmel, Fenchel und Koriander geben wir zur geschmacklichen Vollendung unseres Ur-Brotes hinzu, bevor es von Hand zu Laiben geformt und im Steinofen gebacken wird.

Das Ergebnis ist ein ursprüngliches Brot, das durch seine unvergleichliche Würzigkeit und seine Aromen-Vielfalt besticht, … die es nicht zuletzt auch jenen Sommertagen Ende Juli verdankt, als das weiche Sonnenlicht die Ähren zum Leuchten brachte, während ein verhaltener Windhauch gemächliche Wogen in die Halme malte und sie zu einem sanften Rauschen inspirierte.