Skip to main content

Auf Spurensuche nach dem Weihnachtsstollen

Daniel Zaman

Es ist eine schöne Kindheitserinnerung vieler, die heimlich mit den Fingern vom süßen Teig genascht, kleine Sterne und Bäume aus dem ausgerollten Teig ausgestochen und sie nach dem Backen mit Glasuren und Streusel verziert haben, während der verführerische Duft von Butter, Nüssen und Vanillezucker sich in der gesamten Wohnung oder dem Haus verbreitete. 

Weihnachtszeit ist Kekszeit, aber eben nicht nur.

Auch der Weihnachtsstollen ist seit sehr langer Zeit fester Bestandteil der kulinarischen Weihnachtstradition Österreichs. Und das, obwohl er – im Gegensatz zu all den vielen Feingebäck-Spezialitäten, die die Welt als „Viennoiserie“ eroberten und uns als „Backgroßmacht“ berühmt gemacht haben -, gar nicht aus Österreich stammt.

Historisch betrachtet, stammt der Stollen aus Deutschland; genauer gesagt aus dem ostdeutschen Sachsen. Dort wird er bereits im Jahre 1330 im Zusammenhang eines „bischöflichen Privilegs für die Bäckerzunft in Naumburg an der Saale“ erstmals urkundlich erwähnt. Das Wort „Stollen“ kommt übrigens vom altdeutschen „stollo“, was soviel wie Pfosten oder Stütze bedeutet und wohl auf die Form des Gebäcks anspielt.

Nichtsdestotrotz gilt Dresden als die Hauptstadt des Weihnachtsstollens, wo er als „Dresdner Stollen“ nachweislich seit dem Jahr 1400 gebacken wird. 

Aus der Sicht historischer Epochen, könnte man den Stollen also als süßen Lichtstrahl inmitten des „finsteren (Spät-)Mittelalters“ betrachten, wenn er zu dieser Zeit nicht ein eher farblos-schlichtes und fade schmeckendes Fastengebäck gewesen wäre, das nur aus Mehl, Hefe, etwas Öl und Wasser gebacken werden durfte.

Dass der Stollen schließlich doch noch zu einem süßen Weihnachtsgebäck aus Eiern, Butter und so exklusiven Zutaten wie Rosinen, kandierten Südfrüchten, Mandeln und Gewürzen geworden ist, haben wir den sächsischen Kurfürsten Ernst und Albrecht III persönlich zu verdanken, die 1450 den Papst um eine Lockerung der strikten Fastenbackvorschrift baten.

Was ihnen letztlich auch gewährt wurde. Allerdings erst 41 Jahre und fünf Pontifikate später im Jahre 1491. Was soll man sagen: Wenn es ums Fasten geht, mahlen die klerikalen Mühlen langsam.

Von da an aber durfte weihnachtlich genascht werden. Der Stollen wurde auch nicht mehr ausschließlich religiös gedeutet, sollte das gerollte Backwerk doch ursprünglich an das in Windeln gewickelte und in der Krippe liegende Jesuskind erinnern.

Ganz im Gegenteil entwickelte sich der Stollen angesichts seiner wertvollen Zutaten und damals noch enorm teuren Gewürzen wie Nelken, Pfeffer, Zimt und Vanille aus den weit entfernten Kolonieländern, zu einem zunehmend weltlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Statussymbol, das sich eben nicht jeder leisten konnte.

Wie der Stollen schließlich seinen Weg nach Österreich gefunden hat, erklären am ehesten die politisch-verwandtschaftlichen Beziehungen, die seit spätestens 1697 Österreich und Sachsen verbanden. Besonders hervorzuheben ist diesbezüglich die 1766 geschlossene Ehe zwischen dem sächsischen Prinzen Albert und der Erzherzogin Marie-Christine, dem fünften Kind von Maria-Theresia.

Und ja: Vielleicht verdankt Wien dem kunstsinnigen Albert nicht nur die einmalige Kunstsammlung „Albertina“, sondern auch den Weihnachtsstollen, auf den er nicht verzichten wollte. Wer weiß?