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Entspannen und Tee trinken

Daniel Zaman

Die heute sprichwörtlich genutzte Redewendung „Abwarten und Tee trinken“, empfahl man ursprünglich im Falle einer Erkältung. Gemeint war damit die Einnahme von heilenden Kräutertees in Verbindung von Geduld und Ruhe.

Nun ist der sogenannte „Kräutertee“ strenggenommen ein Kräuter- oder Wurzelaufguss, um ätherische Öle und andere Inhaltsstoffe in heißem Wasser zu lösen – mit dem „echten“ Tee im botanischen Sinne hat dieser allerdings nichts gemein. Mit Geduld und Ruhe jedoch sehr wohl.

Botanisch betrachtet handelt es sich bei Tee ausschließlich um die Gattung „Camellia sinensis“. Eine Pflanzenart, die – wie die lateinische Bezeichnung schon andeutet – zunächst nur in China bekannt war. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts endeckten Forscher im Zuge der britischen Kolonialherrschaft auch im indischen Bundesstaat Assam eine wildwachsende Pflanze, die in Folge mittels Kreuzung mit der chinesischen Urform kultiviert wurde. Bis dahin trank man in Indien – heute immerhin der weltweit zweitgrößte Teeproduzent – keinen Tee, was heute mit Blick auf die berühmten Anbaugebiete Assam und Darjeeling unglaublich scheint. 

In China gab es hingegen bereits 221 vor Christus eine von der damals herrschenden Qin-Dynastie erlassene und historisch belegte Teesteuer, weshalb man davon ausgehen kann, dass dort bereits über gut 2000 Jahre zuvor Tee kultiviert, getrunken und gehandelt wurde.

Über den Ursprung des Tees gibt es viele, teils schaurige Erzählungen wie beispielsweise die sogenannte „Bodidharma-Legende“, wonach diesem – während er jahrelang in einer Höhle meditierte – die Augen schwer vor Müdigkeit wurden; wen sollte das wundern. Voller Zorn darüber, nicht wachbleiben zu können, riss er sich die Augenlider aus und warf sie zu Boden. An der Stelle, wo diese landeten, wuchs der erste Teestrauch, dessen Blätter ihm hinfort halfen, wach zu bleiben.

Womit wir bei einem weiteren Aspekt des Tees sind; seinem Koffeingehalt.

Je nach Sorte und Zubereitungsart enthält Tee ähnlich viel Koffein wie Kaffeebohnen. Schwarztee am meisten, gefolgt von Oolong-Tee, grünem Tee und weißem Tee. Allerdings ist der bei Tee folgerichtig „Teein“ genannte aufputschende Wirkstoff an bestimmte Gerbstoffe gebunden, was bedeutet, dass die wachmachende Wirkung bei Tee später einsetzt, allerdings länger anhält.

Für die „Tee-Kultur“ noch bedeutsamer ist aber eine andere Tatsache, die uns noch einmal zum genannten Bodhidharma zurückführt.

Denn dieser ließ sich etwa 500 nach Christus im ersten – und bis heute existierenden! – Shaolin Kloster im chinesischen Henan nieder, in dem eine damals neue, daoistisch geprägte Variante des Buddhismus gepflegt und entwickelt wurde, welche die meditative Selbstbetrachtung lehrte und als Chan-Buddhismus die Keimzelle des heute besser als Zen-Buddhismus bekannten Philosophie und Lebensart begründete.

Mit anderen Worten: Tee, Teezubereitung, Teetrinken und buddhistische Philosophie waren von Anfang an unlösbar miteinander verbunden – was sich bis heute ganz besonders anhand der detailreich-ritualisierten japanischen Teezeremonie ablesen lässt; dem Cha-do, dem „Weg des Tees“ als Pfad zur Erkenntnis.

Es ist diese Verbundenheit, die die Zubereitung und das Teetrinken zu einem besonderen Ritual und einer ritualisierten Besonderheit macht, das sich in dieser Hinsicht maßgeblich vom Kaffeetrinken unterscheidet.

Freilich gibt es auch unter Kaffeetrinker:innen wahre „Aficionados“, die unter Berücksichtigung der Herkunft der Kaffeebohnen, dem Röst-, Ausmahl- und Säuregrad, der Härte des Wassers und der Zubereitungsart in Welten vielschichtiger Aromen vordringen und das Kaffeetrinken zum kulturellen Erbe erhoben haben.

Dennoch fehlt dem Kaffee jene fast religiöse Dimension, mit der Tee zelebriert wird.

Ein gutes Beispiel dafür ist der sogenannte „Coffee to go“. Also dem Kaffeetrinken aus Wegwerfbechern so ganz nebenher im Gehen, der für sich genommen zwar einen eigenen Lifestyle repräsentiert, aber meist genau jenen Aspekt des Innehaltens für einen achtsamen Augenblick bewussten Genusses als ineffizient zu erachten scheint.

In der vom Zen-Buddhismus und der Meditation geprägten Teekultur hingegen geht es gerade darum: Um das Erleben des gegenwärtigen Augenblicks und des gegenwärtigen Bewusstseins, den zu teilen zudem einen Akt größtmöglicher Höflichkeit, höchsten Respekts und tiefster Wertschätzung repräsentiert. 

„Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen“ (chinesische Weisheiten)

„»Teeismus« ist ein Kult, gegründet auf die Verehrung des Schönen inmitten der schmutzigen Tatsachen des Alltags. Er umschließt Reinheit und Harmonie, das Geheimnis des Mitleidens, die Romantik der gesellschaftlichen Ordnung. Dem Wesen nach ist er eine Verehrung des Unvollkommenen, denn er ist ein zarter Versuch, etwas Mögliches zu vollenden in diesem Unmöglichen, das wir Leben nennen.“ (Kakuzo Okakura) 

„Tee ist Ruhe und nicht Eile“. (tibetische Weisheit)

Zen ist in seinem tiefsten Inneren eine Kultur der Stille, der Einfachheit und der schlichten Eleganz, die ganz im Hier und Jetzt verankert ist und auf den Augenblick, die Zwischentöne, die Pausen achtet.

„Multitasking“ ist daher fehl am Platz. Es geht darum, eine einzige Sache zu tun. Tee zubereiten, Tee trinken, Tee teilen. Es geht in diesem Augenblick um nichts anderes als nur das, weshalb sich aus buddhistischer Sicht, auch die ganze augenblickliche Welt in der Teeschale wiederzufinden vermag. Wird Tee in die Tassen gegossen, dann sieht man glänzende Wolken und hört einen rauschenden Wasserfall.(Japanischer Poet)

Teetrinken bedarf und bewirkt „Gelassenheit“.
Ein Begriff, der im Deutschen auf das mittelhochdeutsche Wort gelazenheit zurückgeht, ursprünglich „gottergeben“ meinte und im Laufe der Zeit die Bedeutung von Abgeklärtheit und Gleichmut annahm.

Mit seiner Vorsilbe „ge-“ markiert es zudem etwas Vergangenes. Oder anders: Das Los-lassen ist eine Vorbedingung zur Gelassenheit. Nur wer bereits losgelassen hat, lebt den Zustand der Gelassenheit. 

Warum also noch abwarten? Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, verweilen Sie in diesem Augenblick und trinken auch Sie eine Tasse Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen und gelassen zu werden.

Denn: „Das Wesen des Tees ist Harmonie, Klarheit und Wahrheit.“ (Shui Xiang Shang Ti)

Weiterführende Themen und Beiträge:
+ Wie Tee produziert wird und was die verschiedenen Teearten unterscheidet? (Fermentation,…)
+ Wie, welchen Tee zubereiten? (Wassertemperatur, Ziehzeit, mehrere Aufgüsse, …)
+ Cha-do: Die japanische Teezeremonie
+ Gesundheitsaspekte
+ Bilderstrecke: Teeanbaugebiete
+ Inserate: Teeproduzenten, Teezubehör (Teeschalen, …), Advertorials, …