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Von Kletzen und Hutzeln

Die Kulturtechnik, Lebensmittel an der Luft oder in eigenen „Darrhütten“ zu trocknen, gilt als eine der älteste Konservierungsarten in der Menschheitsgeschichte.

Die Methode beruht dabei auf der Dehydration. Kurzum, dem Entzug von Wasser, um auf diesem Wege jenen Mikroorganismen die Lebensgrundlage zu entziehen, die andernfalls für den Verderb verantwortlich wären. Bei weniger als 35% Wassergehalt vermögen sich die meisten Bakterien und bei weniger als 15% auch die meisten Pilze nicht mehr zu vermehren.
Auf diese Weise lässt sich Fleisch und Fisch ebenso wie Obst über lange Zeiträume haltbar machen, ohne auf sie als Nahrungsquelle verzichten zu müssen.

In unseren Breiten kennt man insbeondere getrocknete Birnen vor allem im Zusammenhang mit dem weihnachtlichen „Kletzenbrot“, für das eben Kletzen – mancherorts auch Hutzeln genannt – traditionell mit Nüssen und Brotteig in ein köstliches wie gehaltvolles Backwerk verwandelt werden.

Historisch belegt ist, dass die bäuerliche Tradition des „Piratura“, wie es damals genannt wurde, bis in vorchristliche Zeit zurückreicht und seither aufgrund seines hohen Fruchtzuckergehalts als wertvolle Energiequelle in der kalten und kargen Jahreszeit geschätzt wurde.

Zum anderen galt das Kletzenbrot oder Birnbrot, Birnweggen, Hutzenbrot, Hutzelbrot  – noch bevor es zur christlich-weihnachtliche Bäckerei wurde – als Fruchtbarkeitssymbol, das mit vielen, regional unterschiedlichen „heidnischen“ Bräuchen verbunden war.
So gingen beispielsweise die Bäuerinnen nach dem Kneten des Teiges hinaus, um mit ihren „teigigen“ Händen die Obstbäume zu umarmen, um auf diese Weise eine reiche Obsternte im nächsten Jahr zu erwirken.
Beim gemeinsamen „Kletzenbrotanschneiden“ wiederum kam ihm die Funktion eines Orakels zu. Eine glatte Schnittfläche versprach den Fortbestand der Beziehung, während eine raue Schnittfläche Übles vermuten ließ und weiterer Rituale bedurfte.

Auch dem Verschenken eines Kletzenbrotes kam eine besondere Bedeutung zu und galt als Verlobungsbrauch, als Akt der Versöhnung oder als wertschätzende Abschiedsgabe für die bäuerlichen Dienstboten, die zu „Maria Lichtmess“ am 2. Februar freigestellt wurden und sich auf die Suche nach neuen Dienstgebern begeben mussten.

Das Kletzenbrot sollte kräftig und stark machen, als kultischer Segen die Gesundheit erhalten, Glück und Erfolg bescheren und auf diese Weise über das leibliche Wohl hinaus satt machen.

Vom Waldroggen zum Waldroggenbrot

Es ist Ende Juli. Und anstatt von Verkehrslärm ist die Luft vom Summen der Insekten und dem Zwitschern verspielter Schwalben erfüllt. Verletzlich schöner Klatschmohn säumt den schmalen Weg zwischen den Feldern, auf denen das weiche Sonnenlicht die Ähren zum Leuchten bringt, während ein verhaltener Windhauch gemächliche Wogen in die Halme malt und sie zu einem sanften Rauschen inspiriert.

Wir sind in Oberösterreich bei Familie Greilinger zu Besuch und blicken auf die Felder, auf denen „unser“ Bio-Waldstauderoggen wächst und noch ein wenig Zeit bekommen hat, in der Sonne zu reifen. Max und Marlies – Bio-Landwirte aus Überzeugung – erwarten uns bereits, um uns alles über dieses selten gewordene Getreide zu erzählen, das sie exklusiv für unsere Bäckerei anbauen.

Die Ur-Form des heutigen Roggens wächst hier besonders gut und aufgrund der ursprünglich erhaltenen Bodenbeschaffenheit und Lage in besonders hoher Qualität.

Seinen Namen hat der Waldstauderoggen, oder auch Waldstaudekorn, übrigens, weil er früher auf Waldlichtungen angebaut wurde, um die Flächen von Sträuchern und Bäumen freizuhalten, ohne sie mechanisch roden zu müssen.

Der Waldstauderoggen ist also ein robustes Getreide. Im Vergleich zum heutigen Roggen, der aus ihm gezüchtet wurde, ist er allerdings weniger ertragreich; seine Körner messen nur die Hälfte bis zwei Drittel der Größe des „Kultur-Roggens“. Dafür aber enthält jedes einzelne Korn umso mehr Nährstoffe, Vitamin B, Mineralstoffe, wertvolle pflanzliche Fette und Ballaststoffe.

Und das wiederum macht das Waldstaudekorn – und später unser Brot – auch geschmacklich intensiver und würziger und verleiht ihm eine deutlich dunklere Farbe.

Marlies rupft einige Körner von einer Ähre und lässt sie uns verkosten. Sie schmecken grün, nussig, süß und würzig-aromatisch. Fachmännisch begutachtet Max einige Körner mit seinen Händen, zerkaut seinerseits eines prüfend und blickt in den Himmel. „Zwei bis drei Wochen braucht es noch, wenn das Wetter so bleibt“.

Danach wird es geerntet und in der Tenne gedroschen, um die Spreu von Waldroggen zu trennen. Anschließen wird es sorgsam mit Heißluft getrocknet. Ein besonders wichtiger Vorgang, da zu feuchtes Getreide zur Gärung und den Befall durch schädliche Mikroorganismen neigt. Maximal 14% Feuchtigkeit darf im Inneren der Körner zurückbleiben, um eine sichere Lagerung sicherzustellen und gleichzeitig die wertvollen Inhaltsstoffe wie Aromen zu erhalten.

Apropos wertvolle Inhaltsstoffe und Aromen: Damit auch wirklich nichts von beiden verloren geht, beziehen wir unseren Waldroggen von Max und Marlies nicht in Form von Mehl, sondern von ganzen Körnern, die wir unter idealen Bedingungen in unserem Bäckerbetrieb lagern.

Erst wenn es ans Backen geht, vermahlen wir die Körner in unserer hauseigenen Steinmühle zu Mehl, um es umgehend weiterzuverarbeiten.

In einem ersten Schritt setzen wir dazu einen sogenannten mehrstufigen Natursauerteig an, der im Anschluss zu einem Brotteig verarbeitet wird, der seinerseits mindestens 24 Stunden lang reifen darf. Auf diese Weise können wir sämtlich auf Konservierungsmittel, Zusatzstoffe und Backhefe verzichten.

Einzig ein wenig Brotklee, Kümmel, Fenchel und Koriander geben wir zur geschmacklichen Vollendung unseres Ur-Brotes hinzu, bevor es von Hand zu Laiben geformt und im Steinofen gebacken wird.

Das Ergebnis ist ein ursprüngliches Brot, das durch seine unvergleichliche Würzigkeit und seine Aromen-Vielfalt besticht, … die es nicht zuletzt auch jenen Sommertagen Ende Juli verdankt, als das weiche Sonnenlicht die Ähren zum Leuchten brachte, während ein verhaltener Windhauch gemächliche Wogen in die Halme malte und sie zu einem sanften Rauschen inspirierte.

and so on and so forth

Die Einschränkung als Methode zur Entschränkung zeigt sich bei Christiane Reiter in Form von Arbeiten, die sich in und durch ihr Tun gleichsam selbst schaffen

Voraussetzung und Grundlage für Reiters künstlerisches Tun ist dabei ein ihr vorweg selbstauferlegter Handlungsrahmen aus Regeln und Vorgaben (Algorithmen), der die Künstlerin von ungewollten ästhetischen und ikonografischen Gestaltungsfragen befreit.

Alle Konzentration gilt der Handlung, der Verdichtung des Auftragens und dem Werk, das sich als Ergebnis und Ausdruck dieser Handlung zeigt. Das gilt auch für die Künstlerin selbst, die ihre Arbeit nie vollständig zu verstehen oder zu analysieren versucht, um sich und ihren Werken ein Geheimnis zu bewahren. Auf diese Weise scheinen die Arbeiten schweigend Erkenntnisaspekte auszusprechen, die dennoch notwendigerweise unausgesprochen bleiben müssen.

Ihre Regeln bezieht sie meist aus unmittelbaren Gegebenheiten, wie beispielsweise der Länge und dem Durchmesser der verwendeten Buntstifte oder der Größe des jeweiligen Formats und deren mathematischen Teilern, die sie mitunter auch mit Elementen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und des Zufalls kombiniert.

Zur Ausführung gelangen die Algorithmen meist mittels Buntstiftes, den Christiane Reiter auf Papier oder Karton in minutiöser Handarbeit, Strich für Strich und Schicht für Schicht zu Farbflächen verdichtet. Insofern kann von Zeichnung nur im weitesten Sinn gesprochen werden, vielmehr ist es ein Be-zeichnen. In diesen kontemplativen Handlungsvollzügen ist die Künstlerin selbst ganz gegenwärtig und gleichzeitig auch weit weg. Ein Zustand, der sich auch unmittelbar auf die Wirkung der Arbeiten überträgt, die, gleichsam in Referenz auf den Aura-Begriff von Walter Benjamin als einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag, im Akt des Zudeckens und zugleich Freilegens ihre Bedeutung beziehen.

So auch in ihrer aktuellen Werkserie and so on and so forth, die darüber hinaus mittels Tapezierung einzelner, aus ihren Arbeiten herausgelösten und vergrößerten geometrischen Strukturen eine Erweiterung in den Raum erfährt und zudem mit deren opulenten Musterung in einen kontrastierenden Dialog mit der formalen Strenge der Einzelwerke und Serialität tritt.

Wie einer Skizze in der Ausstellung zu entnehmen ist, bestand die

1. Ausgangsbasis darin, das Bildformat (80 x 80 cm) in einen Raster von 16 x 16 = 256 Quadrate zu unterteilen, von denen jeweils 2 Quadrate zu einer rechteckigen Einheit verbunden wurden.

2. Darüber, ob diese einzelnen Einheiten – die aneinandergereiht schließlich lückenlos die Fläche ausfüllen – vertikal oder horizontal ausgerichtet wurden, entschied ein theoretischer zweiseitiger Würfel. 1 bedeutete vertikal, 2 horizontal.

3. Danach galt es, den Einheiten eine von 3 ausgewählten Farben zuzuteilen.

Dies erfolgte erneut mittels eines – nunmehr dreiseitigen – Würfels. Jede Zahl entsprach einer Farbe.

4. Die weiteren Schritte bestanden in Folge in 3 Zooms, für die über den Mittelpunkt des jeweils vorangegangenen Werkes, ein Ausschnitt der halben Formatgröße (40 x 40 cm) herausgenommen und auf die Originalgröße vergrößert wurde.

5. Die Mutationen, die schlussendlich zu den immer 4-teiligen, hinsichtlich ihrer Farbkombination zusammengehörigen Serien führten, beruhte auf der Wiederholung der Regel ab Punkt 3, die zu immer neuen Strukturen führte.