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IN THROUGH THE BACK DOOR

Daniel Zaman

Wer mit der Tür ins Haus fällt, kommt ohne Umschweife zur Sache. Straight forward, immer geradeaus. Warum sich mit ungewöhnlichen Zugängen aufhalten, wenn man auch durch die Vordertüre gehen kann? Alles, was sich sagen lässt, lässt sich auch klar sagen, oder?

Als Samuel Beckett gefragt wurde, worum es denn nun in seinem Stück „Warten auf Godot“ gehe, antwortete er :“Wenn ich es anders hätte sagen können, hätte ich es getan“. Ob sich diese Anekdote nun wirklich so zugetragen hat oder nicht – sie zeigt auf, dass vielschichtige Bedeutungen eben vielschichtig sein müssen, wenn sie ihre Bedeutung nicht verlieren wollen. Oder wie es Umberto Eco so schön auf den Punkt brachte: „Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist falsch“

Ohne Zwischentöne und Schattierungen fehlen eben die nötigen und notwendigen Nuancen, so wie ein Ton ohne dessen Obertöne zur eindimensionalen, toten Frequenz ohne Klangfarbe zerfällt. 
Wo das Grobe durch die Vordertür einfällt und den Raum für sich einnimmt, fehlt zwangsläufig der Platz zur Entfaltung subtilerer Stimmen.

Die Zeiten sind grob geworden. Und wo einst Zwischentöne Gehör fanden und als Korrektiv Vielschichtigkeit garantierten, verkommt der Diskurs zunehmend zu einem plakativen, ja, geradezu existenziellen Schlagabtausch ums Überleben in einer Gegenwart, die scheinbar nicht mehr vermag, Sinn, Gemeinsinn und Gesellschaft, Identität, Diversität und übergeordnete Ideale für eine friedliche Zukunft zu stiften. Und so muss der dröhnende Kampf „für die gute Sache“ – was auch immer dafür gehalten wird – selbst als Sinn herhalten. 

Sinn aber wird mit feiner Klinge geschnitzt und nicht mit der Axt.
Komplexe Sachverhalte bedürfen einer komplexen und besonnenen Auseinandersetzung.
Substanzielle Bedeutungen sind nie die Summe einfacher Antworten, sondern differenzierter Fragen, die nach Antworten suchen. 
Sie kommen nicht polternd durch die Vordertüre, sondern gehen unkonventionellere Wege, um sich Zugang und Gehör zu (ver-)schaffen.
Ihre Stimmen dürfen nicht übertönt, sondern müssen gehört werden.

Und genau diesen Stimmen eine Stimme zu geben, will das Jahresthema des sehsaal 2026 sein.
Dazu sollen ganz gezielt künstlerische Positionen ausgewählt werden, die in der aufgeheizten Atmosphäre der Gegenwart, Kunst nicht bloß als oberflächliches Mittel politischer Agitation instrumentalisieren, sondern durch die Hintertüre kommen und mit künstlerischem Feingefühl, mit leiser Ironie, tiefsinnigem Ernst sowie substanzieller Qualität unserer Welt begegnen und subtil die Vielschichtigkeit der Zwischentöne zum Klingen bringen.